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Nachruf  

Prof. em. Dr. rer. nat. Artur Bergmann

Die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf trauert um Prof. Artur Bergmann, der bis zu seiner Emeritierung am 31.7.1991 Ordinarius am Mathematischen Institut war.

Ein Bericht über den Lebenslauf von Prof. Bergmann bringt viele der geschichtlichen Ereignisse und Umbrüche des vergangenen Jahrhunderts in Erinnerung. Am 13. Juni 1926 wurde er als Sohn eines Zimmermeisters in Wurzbach (Thüringen) geboren, wo er auch die Grundschule besuchte. Die Zeit an der Oberschule in Blankenstein konnte er allerdings nicht regulär abschließen, da er im Juni 1944 zur Sturmartillerie nach Guben einzogen wurde, also etwa ein Jahr vor Ende des 2. Weltkrieges. Als dieser vorbei war, wurde er Ende 1945 aus britischer Kriegsgefangenschaft entlassen, und konnte am 12. Oktober 1946 an der Oberschule Holzminden die Nichtschülerreifeprüfung ablegen. Damit wurde ihm ab Wintersemester 1946/47 ein Studium an der Technischen Hochschule Braunschweig ermöglicht, das er 1951 mit dem Staatsexamen in Mathematik, Physik und Chemie und dem Diplom in Mathematik abschloss. Im Dezember 1950 heiratete er Irmgard Focken, aus der Ehe gingen die Tochter Renate und der Sohn Reinhard hervor.

In den Jahren 1951 bis 1957 arbeitete Herr Bergmann als Referendar, Hilfsassistent und Studienassessor an Schulen und der Technischen Hochschule in Braunschweig. Zwischendurch (1954-55) besetzte er eine Forschungsstelle am Mathematischen Institut in Würzburg, wo er sich, auf Anregung seines Doktorvaters Hermann Ludwig Schmid, einem Schüler von Helmut Hasse, mit den Multiplikatorenringen von algebraischen Funktionenkörpern beschäftigte, und mit der Dissertation Ringe mit Normenadditionsformel im Juli 1955 promovierte.

Der Themenkreis führte ihn zu den axiomatischen Strukturuntersuchungen von Ringen. Ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1957-58) ermöglichte ihm weitere Untersuchungen der Endomorphismenringe von abelschen Mannigfaltigkeiten, ein Beitrag zur algebraischen Geometrie, die damals vor allem durch die Arbeiten von André Weil (geb. 1906), Jean-Pierre Serre (geb. 1926) und Alexander Grothendieck (geb. 1928) neu konzipiert wurde.

Von 1958 bis 1969 war Herr Bergmann Mitglied der Universität Würzburg, zunächst als wissenschaftlicher Assistent, dann in der Wahrnehmung einer Privatdozentenstelle (1960), als Konservator (1963) und schließlich als Wissenschaftlicher Rat (1966). Geprägt durch seine Erfahrungen im Schuldienst bot er von Anfang an gerne Vorlesungen in Gebieten an, die er für die Lehramtsausbildung für wichtig hielt, insbesondere über die Grundlagen der Geometrie.

Freiraum für sein Forschungsfeld Algebrentheorie bekam er durch ein weiteres Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1962-63). Ziel seiner Untersuchungen war eine Strukturtheorie mit Hilfe von Moduln, um neue Einsichten in die Radikaltheorie und Automorphismengruppe endlich-dimensionaler (nicht-)-assoziativer Algebren zu erhalten. Erste Ergebnisse daraus flossen in seine Habilitation an der Naturwissenschaftlichen Fakultät in Würzburg ein (Juli 1963).

Im Frühjahr 1969 erhielt Herr Bergmann gleichzeitig zwei Rufe, einen an die Bergakademie/Technische Hochschule Clausthal und einen an die junge Universität Düsseldorf. Nun, er hat sich für Düsseldorf entschieden nicht zuletzt, weil er fünf seiner Mitarbeiter als Doktoranden mitnehmen konnte. Dort hatten die Vorlesungen in Mathematik erst ein Jahr zuvor begonnen, meist gehalten von Erwin Kreyszig und Egbert Harzheim. Im Sommer 1969 kamen dann fast gleichzeitig Horst Schubert (aus Kiel) und Herr Bergmann (aus Würzburg) dazu, und betrieben von da an in gutem Einvernehmen den weiteren Ausbau der (Reinen) Mathematik. Einen Ruf auf eine Lehrkanzel an der Universität Linz in Österreich im Jahr 1971 hat Herr Bergmann abgelehnt und sich ganz in die Weiterentwicklung der Universität Düsseldorf eingebracht - insbesondere als Baubeauftragter der Fakultät für den Neubau der Institutsgebäude der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät (1970-75), eine Aufgabe, die ihn nahe an die Grenzen seiner Belastbarkeit bringen sollte.

Nur um die Dimension der Aufgabe anzudeuten, mache man sich klar: Für die Bauleitung wurde das Staatshochbauamt  vom Ministerium als nicht zuständig angesehen und für diesen Zweck die NRW Hochschulbau- und Finanzierungsgesellschaft (HFG) gegründet (1969). Diese Gesellschaft beauftragte einen Generalunternehmer und betrachtete sich danach als nicht mehr zuständig. Und der Generalunternehmer wusste nicht was er bauen sollte, da noch keine Pläne vorlagen. In Düsseldorf (und Aachen) mangelte es an Koordination und Kooperation, es kam zum politischen Skandal infolge dessen die HFG  im September 1977  aufgelöst wurde (Der Spiegel 16/1979).

In Düsseldorf fielen die notwendigen Verhandlungen mit dem Finanz- und dem Wirtschaftsministerium Herrn Bergmann zu, und er wurde zum Hauptansprechpartner der Architekten und Bauleute, sowohl während der Planungsphase als auch während der Bauzeit. Mit diesem Einsatz hat er sich in gewisser Weise ein Denkmal gesetzt, aber doch in einer für ihn typischen Art: nirgends ist an diesem Denkmal sein Name zu finden - immer war ihm die Sache wichtiger als seine Person.

Erst nach der Bauphase konnte sich Herr Bergmann wieder seinen Interessen für Lehre und Lehrerausbildung zuwenden, und den Lehrstuhl für Mathematikdidaktik und Mathematik einrichten (1975). Mit der Eingliederung der Pädagogischen Hochschule Neuss in die Universität Düsseldorf (1980) kamen neue Fachkollegen hinzu. Auch weiterhin hat er sich in Verwaltungsaufgaben eingebracht: Von 1972 bis 1984 war er, als Nachfolger von Rektor Lochner, Vorsitzender der Baukommission beim Campusbau und in den Jahren 1978-81 Mitglied im Senat. Im Juli 1991 folgte dann die Emeritierung.

Obwohl schon im Ruhestand, war Herrn Bergmann daran gelegen, seine langjährigen Erfahrungen und Materialien aus dem Umgang mit axiomatischer Geometrie einem breiteren Leserkreis zugänglich zu machen. In Kooperation mit Erich Baumgartner erarbeitete er in dem Buch Affine Ebenen (2013) eine umfassende Darstellung des Wechselwirkens von Teilen der Algebra und Geometrie, das insbesondere Lehrern und Schülern die Schönheit der Grundlagen nahebringen kann.

Auch in seinen letzten Jahren, in denen er nicht unerhebliche körperliche Gebrechen zu ertragen hatte, ist Herr Bergmann ein interessierter, verständnisvoller Gesprächspartner geblieben. Dabei hat er das eigene Leid nicht verschwiegen, aber auch nicht in den Vordergrund gestellt. Für die Sorgen der anderen hatte er immer ein offenes Ohr. Es waren nicht wenige, die als erste Reaktion auf die Nachricht von seinem Ableben spontan sagten: Wir haben doch erst noch vor kurzem so angeregt miteinander telefoniert! Diese Gespräche werden viele von uns vermissen.

Am 22. Dezember 2021 ist Herr Bergmann von uns gegangen. Die Heinrich-Heine-Universität hat ihm einiges zu verdanken. Seine Wegbegleiter werden sich zudem gerne an seine gewinnende Freundlichkeit erinnern.

Erich Baumgartner, Otto Kerner, Robert Wisbauer

 

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